Letzten Monat konnten wir euch ein Interview mit der sympathischen Synchronsprecherin Julia Bautz präsentieren. Diesen Monat haben wir erneut ein Interview vorbereitet und zwar mit Nicole Hise, die neben ihrer Synchronsprechtätigkeit auch Dialogbücher schreibt und auch als Dialogregisseurin tätig ist. Ihr letztes Projekt “Orange” wurde vor kurzem von KSM Anime veröffentlicht und unser Review zu der Serie findet ihr hier. Wir bedanken uns recht herzlich bei Nicole für das Interview und wünschen euch viel Spaß beim Lesen.
AnimeNachrichten: Hallo Nicole. Vielen Dank, dass du dir Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Du bist ja nun schon seit mehreren Jahren als Synchronsprecherin tätig. Wie hat das alles bei dir angefangen? War es dein geplanter Karriereweg oder bist du eher durch Zufall in die Branche geraten?
Nicole: Hallo liebe Leser und danke an Animenachrichten für die Anfrage. Ich arbeite tatsächlich schon seit fast 10 Jahren als Synchronsprecherin – Wahnsinn, wie die Zeit vergeht! Damals war ich noch junge 17 Jahre alt und es war immer mein sehnlichster Wunsch es in die Branche zu schaffen und etwas in dieser Richtung zu machen. Nach vielen Theaterengagements und durch Eigeninitiative aufgenommenen Samples, die ich in Online-Sprecher-Profilen hochlud, hatte ich das große Glück, dass ein Studio auf mich Aufmerksam wurde und ich zu einem Casting eingeladen wurde. Dieses bescherte mir sogar meine erste Hauptrolle in einem Horrorfilm und, weil es so schön war, direkt im Anschluss dann auch meine erste Rolle in einem Anime. Daher würde ich es zwar nicht gänzlich Zufall nennen, aber viel Glück und Geduld war jedenfalls schon im Spiel!
AnimeNachrichten: Was fasziniert dich am Synchronsprechen am meisten?
Nicole: Es ist beeindruckend wie man bspw. am Vormittag eine Katze „miaut“, am Nachmittag um den Tod eines Verstorbenen trauert und am Abend völlig aufgekratzt ein Kochduell bestreitet, bei dem es einem irgendwann plötzlich vor lauter „Food-Porn“ die Klamotten vom Leib reißt. Kurz gesagt: Die Vielfalt ist unglaublich faszinierend! (Und ja, vielleicht habe ich gerade die ein oder andere Rolle angeteasert ;-))
AnimeNachrichten: Gibt es eine Sprechrolle, die dir bisher am meisten zugesagt hat und wenn ja, warum?
Nicole: Ui, das ist schwierig, denn da gibt es tatsächlich einige! Aus jüngsten Veröffentlichungen wäre das wohl Mei Hatsume aus „My Hero Academia“, denn die hat es in sich und mir einfach wahnsinnig viel Spaß gemacht. Alles an ihr ist so „extra“ – die Charge, die Haltung, die Persönlichkeit und das Spiel, so wie die endlos langen Texte, die sie in einer Tour runterrattert. Und noch dazu ist das eine Spitzenserie, bei der so viele tolle Kollegen mitwirken. Ich freue mich noch immer riesig ein Teil davon sein zu dürfen. 🙂
Ansonsten spreche ich aktuell eine Rolle, die mir in ihrem Facettenreichtum und allgemein auch von ihrer Persönlichkeit unheimlich zusagt und mir an vielen Stellen aus der Seele spricht. Dazu darf ich aber leider noch nichts sagen…! 😉
AnimeNachrichten: Kam es auch schon vor, dass dir zugeteilte Rollen gar nicht gelegen haben? Wie gehst du mit solchen Situationen um?
Nicole: „Nicht liegen“ ist im Synchron so eine Sache. Es geht ja nach wie vor um Schauspiel, demnach mache ich mir gar nicht so häufig Gedanken darum, ob mir eine Rolle jetzt ‚besonders liegt‘ oder eben nicht, denn das ist ja auch das Schöne daran: Dass man in verschiedene Rollen schlüpfen darf und auch mal etwas machen kann, was nicht typisch für einen selbst ist.
AnimeNachrichten: Auf der Anime Messe Berlin hast du einen Workshop über das Synchronsprechen geleitet. War es dein erster oder bietest du so etwas öfter an?
Nicole: Ich leite tatsächlich seit bereits 11 Jahren Synchronworkshops auf Anime-Messen. Mit den Jahren habe ich jedoch nicht mehr die Zeit das auf vielen Conventions anzubieten, daher ist mit Ausnahme der Anime Messe seit letztem Jahr die Nicon in Hannover eigentlich die einzige Messe, auf der ich noch Workshops anbiete. Inzwischen biete ich jedoch auch beruflich Workshops an. Aktuell arbeite ich mit dem Sprechstil Atelier aus Düsseldorf zusammen, um angehenden Sprechern einen Einblick in die Arbeit im Synchronstudio zu geben. An ausgewählten Samstagen können bis zu 6 Teilnehmer unter meiner Regie in den G&G Studios in Kaarst den genauen Ablauf, die Theorie und natürlich auch die Praxis kennenlernen! Für alle die in dem Bereich schon mal angesetzt haben und daran Interesse haben sollten, lasse ich mal ganz dreist die Webseite hier. 🙂
https://www.sprechstil-atelier.de/coaching-praxistraining/workshop-synchronsprechen/
AnimeNachrichten: Es gibt Animes wie z.B. „The Asterisk War“, da hast du zwei unterschiedliche Charaktere gesprochen. Gibt es etwas, worauf man besonders achten muss, wenn man mehrere Charaktere in der gleichen Serie spricht?
Nicole: Wenn man innerhalb einer Serie für mehrere Rollen eingeteilt wird muss man, in Zusammenarbeit mit der Regie, darauf achten, dass man diese beiden Rollen unterschiedlich genug anlegt. Sprich, dass man verschiedene Stimmlagen (so genannte „Chargen“) nutzt und natürlich auch eine andere Haltung einnimmt um den Charakteren eine unterschiedliche Note zu geben.
AnimeNachrichten: Du bist mittlerweile auch im Bereich „Dialogbuch/Dialogregie“ tätig. Wie kam es dazu?
Nicole:
Dialogbuch:
2016 habe ich bei einem Projekt in Hamburg mitgesprochen und das Team brauchte Verstärkung bei den Dialogbüchern, also durfte ich mich einfach mal an einem ausprobieren und das hat mir so großen Spaß bereitet, dass ich mich daraufhin bei Studios um Probeschreiben beworben habe und dann auch relativ schnell richtige Projekte machen durfte.
Dialogregie:
2017 wurde ich von einer Filmproduktion aus Kassel für die Regie eines Kurzfilmprojektes namens „CHAIN“ (Deutsch auf Deutsch) angefragt, für das ich auch die zu vertonenden Dialoge ausgearbeitet hatte. Das war quasi meine erste Erfahrung in Sachen Regie. Als ich dann 2018 die Dialogbücher zu „Love & Lies“ (Nipponart) übernehmen sollte, wurde mir auch gleich die Regie angeboten, was ich natürlich nicht abgelehnt habe. Da dieses Projekt so super lief, folgten weitere Aufträge. 🙂
AnimeNachrichten: Kannst du uns kurz erklären, was für Aufgaben du hast, wenn du für ein Projekt in diesen Bereichen verantwortlich bist.
Nicole: Beide Bereiche sind mit unglaublich viel Verantwortung verbunden. Beim Dialogbuch bin ich quasi dafür verantwortlich, was letztendlich im Studio aufgenommen bzw. gesagt wird – sofern das gut gemacht ist natürlich. Ich muss darauf achten, alle Mundbewegungen (oder: „Klapperer“) mit Text zu bedienen und auch auf Labiale achten. Sprich, wenn der Mund geschlossen endet, muss da auch ein Wort drauf, mit dem man das anstellen kann. Da könnte ich jetzt jedoch noch einen Aufsatz schreiben, so viel gibt es dabei zu beachten! Bei der Dialogregie bin ich in der Vorarbeit mitverantwortlich für die Besetzung der Sprecher auf die einzelnen Charaktere. Ich muss mich zudem sehr genau mit dem Material befassen und alle Handlungsstränge und Rollen in und auswendig kennen. Zusätzlich bin ich natürlich dafür verantwortlich wie ein Take letztendlich vom Sprecher umgesetzt wird – ich habe Einfluss auf die Betonungen, die Bögen der Sätze, das Schauspiel und muss den Sprecher bestmöglich dort hinführen. Natürlich muss man dabei auch offen sein und sich auf die Interpretation der Sprecher einlassen. Auf die korrekte Aussprache aller Namen und Begriffe muss man auch achten und, und, und…!
AnimeNachrichten: Du konntest schon selbst viele Erfahrungen als Synchronsprecherin sammeln. Hilft dir das, wenn du in der Dialogregie verantwortlich bist und mit anderen Synchronsprechern zusammenarbeiten musst?
Nicole: Auf jeden Fall! Ehrlich gesagt war das bei meinem ersten Wurf ins kalte Regiewasser auch das Standbein, das mich durch die Arbeit geleitet hat. Dadurch, dass ich die andere Seite kenne, wusste ich, wie verschiedene Regisseure ihre Arbeit machen und somit konnte ich mir das zu Beginn „gedanklich abschauen“ bevor ich mich richtig eingegrooved hatte.
AnimeNachrichten: Kürzlich erschien der Anime „Orange“ bei KSM Anime, bei dem du beteiligt warst. Kannst du uns etwas über die Arbeit an diesem Projekt erzählen?
Nicole: Zuallererst: Wahnsinnig schöne Serie, super Team und meiner Meinung nach ein wunderbares Ergebnis! Ich mag voreingenommen sein, aber ich kann jedem nur dringend einen Kauf ans Herz legen. 🙂
Der Anime „Orange“ ist für mich zu einem Herzensprojekt geworden. Um ehrlich zu sein hatte ich vor vielen vielen Jahren die Geschichte des Mangas mitbekommen, als dieser noch gar nicht in Deutschland raus war und fand die Idee dahinter brillant! In der Lage gewesen zu sein dieses Projekt nach meinen Vorstellungen mit einem so tollen Cast umsetzen zu dürfen war daher etwas ganz Besonderes für mich.
Zur Arbeit an dem Projekt plaudere ich natürlich auch gerne etwas aus dem Nähkästchen 😉 Klar ist auf jeden Fall, dass wir alle eine Menge Spaß hatten. Manchmal auch etwas zu viel! Wir hatten eine Session mit Lisa Dzyadyk (Naho Takamiya) und haben so viel gelacht, dass wir irgendwann eine Zwangspause einlegen mussten, weil wir Bauchschmerzen vor Lachen hatten. Bei den Aufnahmen mit Philip Süß (Kakeru Naruse) war es ähnlich witzig, allerdings war ich zu diesen Sessions leider unheimlich erkältet, sodass ich, als ich einmal einen bejahenden Laut als „Mhm“ haben wollte, dieses aber nicht ohne Grunzen rausbrachte und das dann buchstabieren musste, um zu verdeutlichen, was ich damit sagen will! Rückblickend wirklich unheimlich witzig. Außerdem habe ich mich unheimlich gefreut wieder mit Philip arbeiten zu dürfen, da wir sehr auf einer Wellenlänge sind, die Arbeit immer super zügig verläuft und er genau weiß, was ich haben will, auch wenn dabei „Regie-Neologismen“ entstehen wie „Sprich mal mehr Weltfrieden!“. Bei den Aufnahmen entstanden auch einige grandiose Outtakes über die wir im Studio auch heute noch lachen können.
AnimeNachrichten: Interessierst du dich privat auch für Animes und Mangas oder hast du damit sonst gar nichts zu tun?
Nicole: Ich bin ein Kind der 90er und um es direkt auf den Punkt zu bringen: Sailor Moon und Co. hatten einen großen Anteil an meinem Wunsch, etwas im Bereich Schauspiel zu machen. Demnach kann ich deine Frage nur bejahen. Ich schreibe zudem auch überwiegend Dialogbücher für den Animebereich, worüber ich mich keineswegs beklagen kann, da mir das Genre unheimlich viel Spaß macht. Als ich erfahren habe, dass ich an Titeln wie „InuYasha“ und „One Piece“ arbeiten darf, hat das innere Kind in mir große Luftsprünge getan. Meine liebste Serie im Bereich Anime, auch heute noch, ist „Detektiv Conan“. Ich habe zwar bei weitem nicht mehr genug Zeit um all die neuen, spannenden Serien mitzuverfolgen, aber bei dieser einen zumindest bin ich immerhin „aktuell“. 😉
AnimeNachrichten: Welche Pläne und Wünsche hast du noch für die Zukunft?
Nicole: Ganz viele weitere tolle Projekte und unglaublich gerne mal wieder als Gast auf eine Convention gehen! Ich hatte auf der AnimagiC 2016 großen Spaß und würde das gerne mal wieder machen. 🙂
Außerdem wäre synchrontechnisch im Animebereich wohl mein größter Wunsch einmal in „Detektiv Conan“ mitzusprechen, sei es nur der Schrei aus dem OFF, denn auch der ist wichtig!
AnimeNachrichten: Möchtest du noch ein paar abschließende Worte an unsere Leser und deine Fans richten?
Nicole: Danke, dass ihr das Interview bis hierher gelesen habt und euch so für die Arbeit in diesem Bereich oder meine Person (oder sogar beides?!) interessiert! Es sind die Fans der Serien und Filme des Animebereichs, die mit ihrer Unterstützung die Umsetzung dieser schönen Projekte überhaupt erst möglich machen. Insbesondere hoffe ich aus gegebenem Anlass, dass ihr alle ganz viel Freude mit „Orange“ habt und zufrieden mit der Arbeit seid, die das Team dahinter mit vollem emotionalen Einsatz für euch gezaubert hat! Auch wenn im Internet viel Hass geschürt wird ist wahrlich konstruktive Kritik und natürlich auch Lob bei vielen immer noch gerne gesehen, daher würde ich mich natürlich über viel Feedback zu dem Projekt freuen. Geht außerdem immer eurer Leidenschaft nach und lasst euch von niemandem reinreden! (Grundsätzlich muss das einfach gesagt werden 🙂 )
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit wünscht euch herzlichst
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