Im amerikanischen Superhelden-Genre ist es in der Regel so, dass die Protagonisten mit ihren Kräften Außenseiter in einer Gesellschaft sind, die überwiegend von „Normalos“ bevölkert wird. Die Identität wird zum Schutze des Privatlebens verschleiert und die Geburt des Superhelden ist häufig begleitet von grundskeptischen Ressentiments oder einer völligen Überhöhung zum Übermenschen durch Medien, Politik und Bevölkerung: Sei es Superman als Clark Kent, Peter Parker als Spider-Man, Bruce Wayne als Batman. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen „normal“ und „unnormal“ wird in jedem dieser Beispiele auf die eine oder andere Art und Weise gestellt, ganz prominent natürlich im X-Men Franchise. Auch bei „Boku No Hero Academia“ bzw. „My Hero Academia“ wird das Thema des Anders-Sein thematisiert, wenngleich auch im umgekehrten Sinne: Denn in der Welt von My Hero Academia, in der 80 % der Menschheit mit Quirks („Spezialitäten“ in der dt. Fassung) genannten Superkräften ausgestattet ist, sind es die vermeintlichen Normalos, die eine gesellschaftliche Randgruppe bilden. Für die deutschsprachige Erstveröffentlichung zeigen sich die Jungs und Mädels von Kazé verantwortlich, die jüngst, am 30. März 2018, das erste von drei Volumes der ersten Staffel veröffentlicht haben, welches die Folgen 1-5 beinhaltet. Wie uns das Ganze, insbesondere mit Blick auf die Lokalisierung, gefallen hat, erfahrt ihr in dieser Review.
ZWEI-KLASSEN GESELLSCHAFT ODER WAS ES HEISST, NORMAL ZU SEIN
Die Geschichte von My Hero Academia wird nach dem klassischen Muster des Shonen-Genres erzählt: Anfangs schwächlicher Junge setzt sich, getriggert durch einen äußeren Einfluss, ein vermeintlich unerreichbares Ziel. Sein Mut, seine Rechtschaffenheit und seine Willensstärke helfen ihm dabei, alle Hindernisse zu überwinden um letztlich zum Ziel zu gelangen. Eine klassische Underdog-Story nach japanischer Machart eben. Der Hype, den der Manga von Kōhei Horikoshi seit seiner Erstveröffentlichung 2014 im Weekly Shonen JUMP entfacht hat, liegt aber m.E. darin begründet, dass My Hero Academia das allseits bekannte Narrativ in einigen Teilbereichen clever variiert und somit für einen erfrischend anderen Ansatz zum Genre-Einerlei beiträgt.
„My Hero Academia“ beginnt mit einem Prolog: Eines Tages kommt in der Stadt Quig Quig in China ein Neugeborenes zur Welt, das bizarrerweise Licht ausstrahlt. Dieses Ereignis markiert die Stunde X der Superhelden, denn ab diesem Zeitpunkt weisen Menschen überall auf der Welt paranormale Fähigkeiten auf, ohne dass man sich einen Reim auf diesen Umstand machen könnte. Künftige Generationen sind von Geburt an mit speziellen Veranlagungen ausgestattet. Lediglich 20 % der Gesamtbevölkerung sind von diesem Phänomen nicht betroffen. Naturgemäß schnellt die Kriminalitätsrate mit dem erhöhten Aufkommen von paranormalen Fähigkeiten in die Höhe. Eine Entwicklung, die einen Berufszweig in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt: Die Superhelden-Zunft. Superhelden, Kämpfer für Recht und Ordnung, unterstützten in dieser Gesellschaft die exekutive Staatsgewalt und werden in ihrer medienwirksamen Präsenz von der Bevölkerung angehimmelt.
Blickpunktwechsel: Der 14-jährige Izuku ist ein Nerd sondergleichen, der alles über Superhelden weiß und in seinem Notizbuch regelmäßig Analysen über die prominenten Vertreter dieser Zunft erstellt. Seit seiner Kindheit wünscht er sich nichts sehnlicher, als selbst ein Superheld zu werden. Um diesen Ziel näher kommen, möchte er an die staatliche U.A. High School gehen, eine Elite-Ausbildungsstätte für angehende Superhelden. Das Problem dabei: Er ist gänzlich ohne „Spezialitäten“ ausgestattet und wird ob dieses Umstandes regelmäßig von seinem gehässigen, aber unglaublich talentierten Mitschüler Katsuki Bakugo tyrannisiert.
„Du KANNST ein Superheld werden“
Eines Tages wird Izuku auf seinem Rückweg von einem parasitären Ungetüm angegriffen, das in seinen Körper schlüpfen will. In letzter Sekunde wird er schließlich unerwarteterweise von seinem Kindheitsidol All Might gerettet. Eine Begegnung, die nachhaltig Izukus Schicksal verändern soll. Denn das einstige Symbol des Friedens ist schwer von der Zeit und zahlreichen blutrünstigen Kämpfen gezeichnet und denkt bereits daran, wie er seinen Lebensabend zu verbringen gedenkt. Unterdessen vermochte der liquide Parasit zu fliehen und übernimmt kurzerhand Kazukis Körper. Durch die mächtigen Kräfte von Katsuki kann er auch für ordentlich Aufruhr stiften und legt alles in Schutt und Asche. Die Superhelden vor Ort sind mit der Lage überfordert. Eigentlich also ein Fall für All Might, der gesundheitlich und moralisch aber merklich angefressen ist. Als Izuku seinen Kameraden in Not aber sieht, beschließt er in seiner Verzweiflung nicht länger untätig zu bleiben und eilt ihm trotz der vermeintlich ausweglosen Situation zur Hilfe. Beeindruckt durch dessen Tollkühnheit, findet All Might wieder zu sich selbst und greift in die Situation ein. Tatsächlich besitzt All Might, was von der Öffentlichkeit weitestgehend verborgen geblieben ist, eine Fähigkeit namens „One for All“ – Die Macht, Fähigkeiten weiterzugeben. Mit der erfahrenen Rechtschaffenheit Izukus findet der müde Veteran einen würdigen Kandidaten, um die Fackel des Friedens weiterzugeben.
Es beginnt ein hartes Training, um Izukus schmächtigen Körper zu stählen. Denn die One for All-Fähigkeit vereint die körperlichen Fähigkeiten aller Vorgänger und bedarf deshalb eines entsprechend gestärkten „Gefäßes“ – In den zehn Monaten bis zur Aufnahmeprüfung an der U.A. High School muss Izuku deshalb den Schrottplatz an der „Seaside Bay“ räumen und einen von All Might aufgestellten, straffen Zeitplan befolgen. Izuku schafft es das angestrebte Soll zu erfüllen und sogar weitere Areale zu räumen. Schließlich erbt er die One for All-Spezialität, ohne sie aber vor dem Examen noch einmal ausloten zu können.
Die U.A. Aufnahmeprüfung – „Der wahre Heldenmut besteht darin, über das Elend des Lebens erhaben zu sein“
Im letzten Drittel des ersten Volumes beginnt schließlich die Aufnahmeprüfung an der U.A. High School. Hier trifft Izuku schließlich erstmals auf Ochaco Uraraka, die noch namenslos bleibt aber zu den späteren Hauptprotagonisten der Serie erhoben wird. Präsident Micro führt in die verschiedenen Phasen der Prüfung ein, die aus einem theoretischen und einem praktischen Teil bestehen. In der praktischen Phase gilt es möglichst viele Schurken (die hier aus Kampfrobotern bestehen) aus dem Weg räumen, die mit unterschiedlichen Punktzahlen gewichtet werden. Ein besonders omnipotenter Boss gibt 0 Punkte, den gilt es lediglich zu umgehen. Während der schriftliche Teil Izuku als bekennendem Statistik-vernarrten Otaku naturgemäß leicht von der Hand geht, kommt es beim praktischen Teil zu einer folgenschweren Situation: Und zwar wird die zuvor eingeführte Ochaco von dem Boss-Roboter bedrängt und droht zu scheitern. Selbstlos wie er ist, kann Izuku nicht tatenlos zusehen und setzt erstmals seine One for All-Fähigkeit ein. Zwar kann er beide Parteien retten, kollabiert aber durch die körperliche Erschütterung und besteht den Test somit nicht. Durch eine Lücke in den Richtlinien gelingt es ihm dennoch, schließlich an der U.A. aufgenommen zu werden und das Abenteuer „My Hero Academia“ beginnt.
Der Storyarc des ersten Volumes dreht sich ganz um die Aufnahmeprüfung der U.A. und funktioniert im Gesamtkontext als Auftakt zum eigentlichen Plot erstaunlich rund. Ich mochte die Underdog-Story, die mich ein wenig an die Rocky Balboa-Reihe erinnert hat, die vermutlich auch gewissermaßen als Referenz gedient haben könnte. Zwar gehen Prolog, Izukus Origin-Story und die 2 ½ Folgen um die Aufnahmeprüfung ein bisschen zu abrupt ineinander über, aber dafür fühlt sich die Action sehr kinetisch an – Tatsächlich macht auch die ausgewogene Mischung aus durchaus emotionalen Momenten, aus quirligen Slapstick-Situationen und dynamischer Action richtig viel Spaß und macht Lust auf mehr. Im Gegensatz zur Konkurrenz ist Izuku auch nicht der typische Shonen-Held – Zumeist agieren diese nämlich mit dem Kopf durch die Wand und setzen in ihrer Unerschrockenheit eher auf Zähigkeit als Verstand. Izuku hingegen hat sich aufgrund seiner jugendlichen Entbehrungen einen erstaunlich analytischen Verstand aufbewahrt und agiert taktisch klug, ist als Held demnach auch nicht zu „overpowered“ konzipiert. Auch sein Fanboyism für seine persönlichen Idole macht ihn als Held nahbar und nachvollziehbar. Sind wir schließlich nicht alle ein bisschen Otaku? Und letztlich fügen sich auch die Superkräfte selbst angenehm homogen in die Welt von My Hero Academia ein – Die Helden sind keine Vigilanten sondern Staatsbedienstete mit ganz speziellen Aufgaben. Einzig den Charakter von Katsuki fand ich nicht ganz so gut geschrieben, weil mir seine Verachtung für Izumi und seine rassistische Zwei Klassen-Logik ein wenig zu plump vorkamen. Sicher, große Kraft birgt unter Umständen nicht nur große Verantwortung, sondern auch überhöhte Egos. Aber die Figur ist ein wenig zu schablonenartig angelegt, als Opposition zum selbstlosen Izuku.
BILD UND ANIMATION
Vom technischen Standpunkt betrachtet hat mir der Anime ebenfalls recht gut gefallen. Die Action fühlt sich dynamisch an, die eigenwilligen Animationen, für die Key Animator Yutaka Nakamura verantwortlich ist, haben was sehr comichaftes an sich – Temporeich, ohne dass es allzu gehetzt wirkt. Alles ist in kräftigen Farben gehalten. Die Locations sind recht detailliert gezeichnet und Helden wie Schurken haben recht skurrile, eigene Designs an sich. Das Charakterdesign der Figuren fühlt sich in einem Moment recht „spitz“ und schnittig an, im nächsten Moment eher leicht infam und rundlich. Dennoch kommen die beiden stilistischen Elemente hier gut zusammen.
Die Regie von Kenji Nagasaki ist ebenfalls recht kompetent und in Anbetracht der Manga-Vorlage sehr on point getroffen – Alles in allem hat sich das renommierte BONES Studio bei der Anime-Umsetzung nicht lumpen lassen. Wie es sich für einen modernen Anime gehört, erstrahlt die Auflösung der hier vorliegenden Blu-Ray in Wide Screen 1080p Auflösung, ist knackscharf und kann mit satten Farb- und Kontrastwerten aufwarten.
TON UND SYNCHRONISATION
Die deutschsprachige Synchronisation war ja ein Punkt, auf den ich im Vorfeld besonders gespannt war. Tatsächlich ist die erstmalig deutschsprachige Auswertung ebenfalls sehr gut gelungen, sowohl tonal wie auch von der Dialogregie her. Die Stimmen passen durchweg gut zu den Charakteren und ihren persönlichen Temperamenten. Für die deutsche Fassung wurden die Karster G&G Studios beauftragt, die bereits für Synchronfassungen von „Fullmetal Alchemist“, „Death Note“ und „No Game No Life“ verantwortlich sind. Unser junger Held Izuku wird von Sebastian Fitzner gesprochen, der die passend jugendlich-unschuldige Stimme verleiht. Auch Matti Klemm als All Might verleiht dem Superhelden-Veteranen eine altersweise Intonation, die aber durchaus auch Slapstick-tauglich ist. Die fällt aber nicht ganz so rauchig und altherren-mäßig aus wie angenommen. Speziell Daniel Käser als Katsuki macht eine sehr gute Figur, verleiht er seiner Figur doch die nötige Arroganz, ohne die Selbstzweifel und die Verletzlichkeit aus dem vermeintlichen Bully komplett außer Acht zu lassen. Auch hier wird die Gratwanderung zwischen den Emotionen gut gemeistert.
Besondere Erwähnung verdient der Score von Yuki Hayashi – Der ist nämlich m.E. bombastisch und untermauert gerade das Heldenpathos, als auch die emotionalen Momente stets perfekt mit orchestralen Arrangements und teils recht experimentellen Einfällen. Der Sound auf der Blu-Ray kommt in DTS HD MA 2.0-Format und bringt sowohl japanische wie auch deutsche Sprachausgabe mit. Zum Ton: Der ist gut abgemischt, jederzeit kristallklar und überzeugt gerade in den Action-Sequenzen auch mit direktionalen Spielereien. Also ganz so, wie man es von einem modernen Anime erwartet.
PHYSISCHE UMSETZUNG
Die Blu-Ray und DVD-Umsetzung gefällt mir recht gut – Der gelbe Pappschuber, der unseren Helden aus der Frontalansicht zeigt, mit dem spotlackierten Schriftzug macht optisch durchaus was her. Sowohl das Material des Schubers als auch des Digipacks ist robust und als Extras liegen neben dem obligatorischen Booklet auch noch Sticker und eine Character Card bei. Auch schön, dass das FSK-Siegel nur auf der Folie aufgeklebt ist und nicht die Hülle selbst verunstaltet. Insofern kann man sich diese Fassung bedenkenlos ins Regal stellen. Hier hat KAZÉ gute Arbeit geleistet.
Fazit:
Das erste Volume von My Hero Academia bildet mit dem Arc um die Aufnahmeprüfung zur U.A. High School einen rundum gelungenen Auftakt zur Serie. Sowohl technisch als auch inszenatorisch kann der Anime mit einigen cleveren Variationen des klassischen Shonen Helden-Narratives aufwarten. Auch bei der deutschen Lokalisierung und den Synchronleistungen hat KAZÉ hochwertige Arbeit geleistet. Die Stimmen wirken den Temperamenten und Persönlichkeiten der Figuren gemäß und können sowohl die humorvollen, wie auch die schmerzhaft-emotionalen Momente gut rüberbringen. My Hero Academia ist witzig, anrührend, manchmal durchaus sehr kinetisch und trägt eine doch stets hoffnungsvolle Botschaft vor sich her: „Du kannst ein Superheld werden“ – „Du kannst die Welt verändern“. Kritisieren lässt sich allenfalls der etwas checkpunktartige Übergang der einzelnen Plot Elemente in den ersten fünf Folgen und der preisliche Aspekt. Denn die Veröffentlichung schlägt mit rund 38 Euro für 5 Folgen zu Buche, was ich als relativ krass erachte. Dafür ist die Aufmachung und die technische Umsetzung der hier besprochenen Blu-Ray Ausgabe doch sehr hochwertig.
[rwp-review id=”0″]
ALLGEMEINE DATEN
Veröffentlichung: 30. März 2018
Publisher: KAZÉ
Genre: Coming-of-Age, Abenteuer, Action, Shonen
Laufzeit: ca. 125 min
FSK: 12
Bild: 1080p, 16:9 Widescreen
Ton/Sprache: Deutsch/Japanisch DTS HD MA 2.0
Untertitel: Deutsch
Bestellen bei Amazon.de:
My Hero Academia Vol.1 [Blu-ray]
My Hero Academia Vol. 1[DVD]
Handlung:
*Bei den Kauf-Angeboten in diesem Beitrag handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Wenn ihr ein Produkt über einen solchen Link erwerbt, habt ihr dadurch keinerlei Nachteile. Wir erhalten vom Anbieter jedoch eine kleine Provision, wodurch ihr AnimeNachrichten unterstützt.