Ai to Makoto: Takashi Miike zwischen High School Musical und Pink Violence.
Takashi Miike ist neben Sion Sono und Takeshi Kintano einer der jungen wilden japanischen Regisseure, dessen Werke es in den Westen geschafft und dort das japanische Kino etabliert haben. Dabei legt er sich auf kein Genre fest: ob ultra brutaler Splatter-Film nach Manga-Vorlage wie bei Ichi The Killer, abgefahrener Film über Freundschaft wie Dead or Alive oder Samurai Zeitreise-Drama mit philosophischem Touch wie bei Izo – er dreht einfach alles. Hin und wieder kommen auch Manga-Verfilungen wie Terraformars hinzu (unser Review findet ihr HIER). 2012 verfilmt er den Manga Ai to Makoto von Ikki Kajiwara und Takumi Nagayasu. Aus der Vorlage macht er nicht nur eine Hommage an den Film der 70er, Pink Violence, sondern auch ein Musical. Eine Wilde Mischung, die perfekt funktioniert.
Die Handlung von Ai to Makoto dreht sich um den Schüler Makoto, der in Tokyo ankommt und gleich in einer Schlägerei gerät. Dabei trifft er auf Ai, ein Mädchen, welches ihr Herz sofort an den Draufgänger verliert. Doch was sie nicht weiß, ist, dass Makoto in Tokyo ist, um Rache zu üben. Doch Rache an wem? Auf seiner Reise landet er an einer Eliteschule, später dann auf einer Schule, wo das Chaos regiert. Immer wieder versucht Ai ihm zu helfen und geht dabei fast zu Grunde. Doch Makoto erobert nicht nur das Herz von Ai, sondern auch von Gum-ko und Sad Chick. So beginnt ein Kampf auf Leben und Tod – und ein Kampf um die Liebe eines Mannes, der nicht lieben kann.
Am Anfang des Films nimmt man sich Zeit für die Handlung, denn dort werden die verschiedenen Handlungsstränge aufgebaut. Man merkt hier schon sehr deutlich, dass die Vorlage des Film ein Manga ist, denn immer wieder fühlt es sich an, als würde man ein neues Kapitel aufschlagen und jene Lücke der Erzählung, die im Manga typisch sind, tauchen auch hier auf.
Vom Pink Violence zum Musical.
Die 70iger Jahre waren auf der ganzen Welt ein Jahrzehnt, wo im Kino einiges passiert ist: immer mehr Menschen kauften sich ein Fernsehgerät und TV-Sendungen und Serien übernahmen langsam die Abendunterhaltung. Es musste etwas Neues her, die Menschen sollten wieder ins Kino gelockt werden. So wurden die Filme brutaler und und es wurde mehr nackte Haut gezeigt – in Japan entstand in dieser Zeit das Genre der Pinku Eiga, eines rein japanisches Genres, das viele Subgenres beherbergt. Zu den Filmen des Genres gehörten zumeist Erotikfilme, aber auch Filme, die politischer Natur sein könnten. Ein Subgenre der Pinku Eiga war das Pink Violence: hier waren meist Frauen in der Hauptrolle, oft High School Schülerinnen, die sich in Gangs versammelten, prügelten und den Männern zeigten, wo der Hammer hängt. Andere Vertreter des Genres sind Sasori oder Lady Snowblood.
Das Pink Violence-Konzept ist auch sehr deutlich bei Ai to Makoto vertreten. Denn neben Ai gibt es Gum-ko, Sad Chick und ihre Gang, die Makoto das Leben schwer machen. Hier versprüht der Film den bekannten Charm des Genres. Im krassen Gegenzug dazu ist die musikalische komponente in dem Film. Musicals sind ein sehr amerikanisches Genre, welche einst Operetten ablöste. In den vergangenen Jahren gab es einige Musical Filme, in den USA beispielsweise dominierte Disney immer wieder mit seinen Filmen wie High School Musical. Doch auch Musical-Umsetzungungen wie Mamma Mia gab es im Kino zu sehen. Der deutsche Filme bietet so etwas kaum, hierzulande sind eher Bollywood Filme und natürlich auch das typische Hollywood Kino beliebt. In Japan ist das Musical-Genre noch seltener vertreten.
Ai to Makoto ist also nicht nur aufgrund der Genremischungen etwas besonderes in Japan. Natürlich gibt es in Japan auch viele Musicals, jedoch in Form von Theaterstücken, in Filmen ist dieses Genre rar. Neben den Film von Takashi Miike schuf Sion Sono mit Tokyo Tribe ein Hip Hop- und Rap-Musical, welches seinesgleichen sucht.
Manche Blumen blühen nur Nachts.
Durch den Mix der Genres und der Mangavorlage baut sich eine Handlung auf, die alles dafür tut, um uns dem Zuschauer zu zeigen, dass es hier nicht um eine heile Welt geht. Selbst wenn Ais Eltern hier wirken, als sein sie direkt einem Disney-Film entsprungen und dennoch kommen sie nicht an Disney heran. Doch Ai ist so naiv, wie man nur sein kann – sie glaubt an das Gute in Makoto, komme was wolle. Makoto selbst ist so zerfressen von der Finsternis und nicht der coole Held, wie der Film zu Anfang noch vermuten lässt. Er ist gebrochen und schlichtweg getrieben von Rache, wohingegen seine Wirkung auf Mädchen im Film typisch für einen Harem-Manga ist.
Auch einige Stereotypen aus den 70ern finden sich passend zur Zeit in dem Film wieder. So wird der Junge, der in Ai verliebt ist und für sie alles tun würde – er wird aufgrund seiner Brille und seinem Oktaku-typischen Verhalten immer nur Vierauge genannt. Auch die anderen Charaktere wirken sehr klischeehaft wie Charaktere aus einem Manga oder Anime. Alle Figuren sehen älter aus, als sie sind. Die Charaktere wierden natürlich von älteren Schauspielern gespielt, wirkt allerdings auch auch nicht wie 17 – doch damit verdeutlicht Miike die Absurdität der Mangawelt.
Im Verlauf von Ai to Makoto gibt es einige Wendungen und der Film spielt mit den Erwartungen des Zuschauers. Die Figuren, die wir sehen, benehmen sich anders, als wir als Zuschauer es erwarten – was natürlich immer gegen die Stereotypen spricht, die sie verkörpern. Vierauge ist klar, dass er nie eine Chance bei Ai haben wird – dennoch hilft er ihr und später sogar Makoto, als ihm klar wird, dass dieser „harte Typ“ auch einen weichen Kern hat. Doch die Finsternis in Makoto und der Grund dafür ist sehr tief verbogen, und so entlädt sich der Film in seinem Finale und wird böse. Nachdem Makoto seine Katharsis vollzogen hat und endlich ein neues Leben führen könnte, gibt es eine Wendung, die den Film zur Tragödie machen und den Zuschauer schier hoffnungslos zurück lässt. Happy End geht eindeutig anders.
Nicht nur die Handlungvon Ai to Makoto spielt in den 70ern.
Da die Handlung von Ai to Makoto auch in den 1970ern spielt, sieht das Setting des Films natürlich auch dementsprechend aus. Tokyo wirkt zwar nicht so bunt, dennoch sind die Neonfarben immer wieder vereinzelt vertreten und manchmal wirkt es sogar fast schon so, als hätte man sich bei der Beleuchtung der Szenen an Dario Argentos Suspira orientiert. Doch auch der Film selbst sieht aus, als hätte man ihn auf 70er-Jahre-Material gedreht: immer wieder ist das Filmkorn zu sehen und auch der Kontrast und der Rest erinnern stark an diese Zeit. Dazu kommen auch noch Schnitt und Kameraführung – alles ist darauf bedacht, dass es nicht wie ein moderner Film wirkt.
Hier gibt es aber auch ein paar Ausnahmen: so gibt es eine Kampfszene, die eindeutig eine Parodie auf 300 sein soll und auch der Manga Vorlage huldigt. Die Choreographie der Szene und der Einsatz von Zeitlupenaufnahmen wirken fast wie eine eins-zu-eins-Kopie von dem Zack Synder Film. Doch auch andere Filme kann man in Ai to Makoto wieder entdecken. Natürlich zitiert hier Takashi Miike viele Streifen aus dem Jahrzehnt, doch auch sich selbst; wirken manche Szenen so, wie die Crows Verfilmungen, die Miike gemacht hatte. Dies könnte aber auch an der Überschneidung der Genres liegen – geht es in dem umgesetzten Manga um Schüler in Gangs, die sich prügeln.
Damit bietet der Film von Takashi Miike optisch auch eine Hommage an ein Jahrzehnt, was uns Filme brachte, die wahrscheinlich nie wieder gedreht werden. Deutlich zeigt sich immer wieder das Talent von Takashi Miike, denn kaum ein andere Regisseur würde in einem einzigen Film durch so viele Genres springen, wie er es tat. Ausgenommen ist hier natürlich Sion Sono.
Die Musik.
Da der Film nur zum Teil ein Musical ist, gibt es auf die Länge von über 2 Stunden nur 10 Songs, und viele davon kommen bereits in der ersten Hälfe vor. Dabei sin auch hier wieder die 70er sehr prägnant, wirken die Songs eindeutig wie typisch japanische Pop-Songs aus dieser Zeitepoche. Der fünfte Song ist dann sogar an die Songs von Meiko Kaji angelehnt, welche für viele ihrer Filme selbst Lieder beigetragen hat. Das Lied ähnelt sehr stark dem Song The Flowers Of Carnage – diesen Track kennt ihr vielleicht aus Kill Bill Vol. 1. Auch Textlich drehen sich beide Lieder um Blumen und das Erblühnen dieser.
Es gibt zwei Arten von Musicals: In der Ersten führt das Lied die Handlung fort und es kann vorkommen, dass wie bei einer Oper alle Textpassagen gesungen werden. Die zweite Art ist ein Film, bei dem es Unterbrechungen gibt, in denen gesungen und getanzt wird, ohne dass dabei die Handlung des Films eine Rolle spielt. Bei Ai to Makoto vermischt vermischen sich beide Arten, denn nicht immer führen die Lieder die Handlung weiter, sondern dienen auch dazu, Charaktere einzuführen oder ihre Haltung zu verdeutlichen. So ist Ai to Makoto eine Mischung aus diesen beiden Arten. Sehr deutlich wird das bei Song fünf – Makotos Reaktion auf das Sad Chick – das einfach anfängt zu singen. Und auch ohne das Hervorholen einer leuchtenden Glühbirne erinnert dieser Akt mehr an ein Musikvideo als an einen Film.
FAZIT:
Ai to Makoto ist ein wahnsinniger Film: Action, Musical, Pink Violence und Drama sind in einem Film vereint und dabei zeigt der Film die Vielfalt, die es im japanischen Kino gibt. Man setzt nicht einfach den Manga neu um; Regisseur Takashi Miike drehte mit Ai to Maokot eine Hommage an die 70er und das Genrekino dieses Jahrzehnts.
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