Erinnerungen. Sie sind alles was bleibt von uns, wenn wir einmal nicht mehr sind. Auch sind sie Teil dessen, das uns menschlich macht. Mit der Zeit können diese jedoch langsam verschwinden, oder sich sogar vermischen. Mit „Millennium Actress“ feiert der legendäre Regisseur diesen Aspekt unseres Seins. Doch nicht nur das: Auch feiert er mit dem Film die Geschichte des japanischen Kinos, und somit in gewisser Weise auch die Erinnerungen der ganzen japanischen Nation durch ihre Kinohistorie. Wem das ganze viel zu abstrakt klingt: Keine Sorge, in dieser Review erfahrt ihr, ob es sich lohnt „Millennium Actress“ anzusehen und vielleicht auch, warum Satoshi Kon als einer der bedeutendsten Anime-Regisseure angesehen wird.
Eine Liebeserklärung ans japanische Kino
Genya Tachibana ist ein Dokumentarfilmer und riesiger Fan der Filme des alteingesessenen Filmstudios „Ginei Studios“. Leider ist diese Schmiede japanischer Filmgeschichte bankrottgegangen und wird abgerissen. Im Rahmen dieser traurigen Nachrichten bereitet sich Genya auf ein Interview mit seiner absoluten Lieblingsschauspielerin, Chiyoko Fujiwara, vor, indem er ihre Filme noch einmal ansieht. Gemeinsam mit seinem Kameramann Kyōji Ida macht er sich am vereinbarten Tag des Interviews auf den Weg zu Chiyokos abgelegenen Haus. Dort angekommen werden sie von der Haushälterin empfangen und ins Haus gebracht.
Kurz bevor er endlich auf Chiyoko trifft, ist Genya extrem nervös, verehrt er die Schauspielerin doch. Dann der Moment, auf den er so lange gewartet hat: Eine gebrechliche ältere Dame betritt den Raum: Es ist niemand anderes als Chiyoko Fujiwara, seine geliebte Chiyoko. Prompt reicht er ihr zu Beginn des Interviews ein Geschenk: Einen Schlüssel an einer Kette, die ursprünglich ihr gehört hatte. Sie hat sie während des zweiten Weltkriegs von einem kontrarevolutionären Maler des japanischen faschistischen Regimes, welchen sie versteckt hielt, bekommen als Symbol and das Versprechen, dass beide sich irgendwann einmal wiedersehen. Zur Selben Zeit wird sie auch von den Ginei Studios angeworben, um Propaganda-Filme für das japanische Regime zu drehen, die die Moral des japanischen Volks stärken wollen. Gegen den Willen ihrer Mutter entschließt sie sich jedoch, Schauspielerin zu werden, da sie so die Möglichkeit bekommt in die Mandschurei zu reisen, wo sich der Maler aufhalten soll. Was jedoch komisch ist: Genya und Kyōji sind Teil von Chiyokos Erzählungen.
Der Film erzählt dann die Lebensgeschichte Chiyokos. Von Beginn bis zum Ende ihrer aktiven Schauspiel-Karriere. Dabei bedient sich Satoshi Kon eines Tricks: Die Lebensgeschichte Chiyokos wird anhand der Filme, in denen sie mitgespielt hat, erzählt. So bekommen wir als Zuschauer einen Überblick über die verschiedenen Epochen der japanischen Filmgeschichte. Aber natürlich macht Kon uns das Zusammenpuzzeln des Plots nicht einfach, denn beizeiten können die ständigen und fließenden Übergänge von Film zu Film verwirrend sein. Das scheint jedoch System zu haben, denn man kann dieses verwirrende Mischmasch als Erinnerungen verstehen, die im hohen Alter langsam, aber sicher miteinander verschmelzen. Dabei verliert Chiyoko immer mehr aus den Augen was echt ist und was Fiktion.
Selten hat uns ein Film so zum Grübeln gebracht und begeistert wie Satoshi Kons „Millennium Actress“. Der Regisseur, der auch die deutlich bekannteren Meisterwerke „Perfect Blue“ und „Paprika“ schuf und tragischerweise im Jahr 2010 an Bauspeicheldrüsenkrebs verstarb, enttäuscht auch mit seinem etwas unbekannteren Werk in keiner Weise. Zwei Stunden lang hat uns der Film in die Welten verschiedener „Filme im Film“ entführt und dabei eine solch schöne Geschichte mit einigen unerwarteten Wendungen erzählt, dass wir, als der Film vorbei war, einige Tränchen verdrücken mussten. Viel mehr möchten wir euch bewusst nicht über die Geschichte des Films erzählen, sind ihre überraschenden Wendungen doch essenziell, um den Film voll erleben zu können.
Bild und Animation
„Millennium Actress“ wurde in 4K und 16:9 gemastert und uns auf 4K Blu-Ray zur Verfügung gestellt. Dieses Master sorgt für ein sehr scharfes und klares Bild. Der Film ist farbenfroh und bildgewaltig, was durch das 4K Remaster wunderbar zum Vorschein kommt. Das Gesamtbild ist, für Studio „Madhouse“ typisch, sehr hochwertig.
Auch visuell ist „Millennium Actress“ ein bombastisches Erlebnis. Einige Szenen aus Chiyokos Filmen erschlagen einen förmlich vor Bildgewalt. Dabei kann der Film auch ganz anders: Langsame, ruhige Szenen, in denen nur die Gesichtsausdrücke der Charaktere für sie sprechen. Ein Beispiel hierfür wäre die Übergabe des Schlüssels an Chiyoko. Man kann am Gesicht von Genya bereits erkennen, dass er weiß, dass das Geschenk eine ganz besondere Bedeutung für Chiyoko hat. Gleichzeitig kann man in Chiyokos Gesicht die Freude erkennen, den lang verloren geglaubten Schatz wieder in den Händen zu halten, als auch die Überraschung, ihn von Genya zu bekommen. Solche Details geben dem Film beim Ansehen eine Meta-Ebene über das Gesagte hinaus. Aber auch Action-Szenen haben Satoshi Kon und Studio „Madhouse“ spektakulär inszeniert. Zwar ist der Film aus dem Jahre 2001, und wir würden lügen, wenn wir sagen würden, dass er mit den Bildern moderner Streifen wie „Your Name“ mithalten kann, doch finden wir, dass der Film trotz seiner 21 Jahre auf dem Buckel zeitlos wirkt.
Ton und Synchronisation
Erst einmal die technischen Daten: Der Film ist auf der Disc mit japanischem und deutschem Ton verfügbar, ersteres natürlich mit deutschen Untertiteln und beides im Format DTS-HD Master 5.1. Insgesamt ist der Ton sehr klar und man kann deutlich das Gesprochene von Hintergrundgeräuschen und der Musik unterscheiden. Das sorgt für ein sehr angenehmes Hörerlebnis, welches nicht durch zu laute oder leise Segmente gestört wird. Der Soundtrack ist passend zu den Bildern mal bombastisch und groß, und dann wieder ganz ruhig wie ein Hintergrundrauschen. Der Soundtrack komplementiert den Film perfekt. Insbesondere das Ending-Theme „Rotation“ sowie der Song „Run“ haben es uns sehr angetan.
Bei diesem Remaster des Satoshi Kon Klassikers wurde die deutsche Synchronisation aus dem Jahr 2006 verwendet. Diese wurde seinerzeit von Universum Anime (heute Leonine) angefertigt. Hardcore-Fans des Films bevorzugen zwar die erste Synchro aus dem Jahre 2004, mit der der Film auch ursprünglich in Deutschland im Kino und mit der ersten DVD-Fassung erschien, allerdings haben wir an der vorliegenden Synchronisation nichts zu bemängeln. Ganz im Gegenteil: Magdalena Turba als junge, Katrin Zimmermann als erwachsene und Regine Albrecht als ältere Chiyoko, sowie Tobias Kluckert als junger und Jürgen Kluckert als älterer Genya haben uns vollends überzeugt. Nicht nur fällt es wenig auf, dass beide Charaktere, je nach Alter, von anderen Synchronsprechern vertont wurden, sondern schaffen es beide auch den Charakteren eine Dynamik zu geben, die uns in keiner Weise hat vermissen lassen, nicht die japanische Synchro zu hören. Dafür Hut ab.
Physische Umsetzung
Wie ihr es von uns schon kennt, hat die physische Umsetzung des Produkts keinen Einfluss auf die Gesamtwertung des Reviews. Dieser Abschnitt dient mehr dazu, euch ein Bild von dem zu vermitteln, was euch als Käufer erwartet. Dabei beziehen sich alle Beschreibungen auf die Blu-Ray-Fassung von „Millennium Actress“
Der Film kommt in einem Digipack mit hochwertigem Papp-Schuber daher. Auf dem Schuber ist der Hauptcharakter Chiyoko in mehreren Versionen aus all ihren Filme zu sehen, sowie in einem wunderschönen Kimono. Auf der Rückseite ist ebenfalls Chiyoko, sowie ein Klappentext zum Film, einige Bilder zum Film, sowie die technischen Daten zu sehen. Auch das Digipack zeigt Chiyoko mit ihrem geliebten Schlüssel. Als Extra liegen der 4K Version des Films die normale Blu-Ray Fassung, ein Poster sowie ein 44-Seitiges Booklet bei.
Allgemeine Daten
Veröffentlichung: 19. Mai 2022
Publisher: Kazé (Crunchyroll)
Genre: Drama
Laufzeit: 86 Minuten
FSK: 6
Bild: 4K
Ton/Sprache: DTS-HD MA 5.1 (Deutsch und Japanisch)
Untertitel: Deutsch
Bei KAZÉ bestellen:
- Millennium Actress (4K UHD Blu-Ray/Blu-Ray/DVD)
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Handlung
Zur Jahrtausendwende lässt das legendäre Filmstudio Ginei seine in die Jahre gekommenen Kulissen abreißen. Der ehemalige Mitarbeiter Genya Tachibana beschließt, zu dieser Gelegenheit eine Dokumentation über den großen Star des Studios Chiyoko Fujiwara zu drehen. Gemeinsam mit dem Kameramann Kyōji Ida macht er sich auf den Weg zum abgelegenen Haus der mittlerweile über 70 Jahre alten Schauspielerin. Ein goldener Schlüssel, den die beiden ihr als Geschenk überreichen, weckt Erinnerungen an ihre erste Liebe, der in den Wirren des 2. Weltkriegs verschwand und den sie ihr Leben lang suchte. In Chiyokos Erzählung entspannt sich die Geschichte des japanischen Films so lebhaft, dass Vergangenheit und Gegenwart ununterscheidbar werden …
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