Im Dezember 2021 war Anime-Regisseur Mamoru Hosoda zu Gast in Berlin und Hamburg, um dem deutschen Publikum sein aktuellstes Werk „BELLE“ zu präsentieren. Im Rahmen dieses Besuchs hatten wir die Gelegenheit, den bekannten Regisseur zu treffen und ihm bei einem Interview für euch einige Fragen zu „BELLE“ und seiner Arbeit zu stellen.
An dieser Stelle gilt unser Dank natürlich ganz besonders Mamoru Hosoda selbst, der sich trotz seines vollen Terminplans die Zeit für unser Interview genommen hat, aber natürlich auch den Verantwortlichen von KSM Anime, einem Label der Koch Films GmbH, sowie von mm filmpresse, ohne deren Organisation dieser spannende Interviewtermin nicht möglich gewesen wäre!
Anmerkung: Nachfolgend werden wir der Einfachheit halber AnimeNachrichten mit AN abkürzen, während Mamoru Hosoda einfach mit Hosoda betitelt wird. Alle Fragen und Antworten wurden von einem Übersetzer vor Ort ins Japanische bzw. Deutsche übersetzt. Wir haben die Antworten hinsichtlich des Wortlauts ggf. leicht abgewandelt, ohne jedoch inhaltlich Änderungen vorzunehmen.
Und nun wünschen wir euch viel Spaß beim Lesen!
AN: Zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit für unser Interview nehmen! Vor einer Weile haben Sie einmal gesagt, „BELLE“ sei der Film, den Sie schon immer machen wollten. Was macht dieses Projekt für Sie so besonders?
Hosoda: Das stimmt. 1991 habe ich mein Studium beendet und habe danach begonnen, bei Toei Animation zu arbeiten. Es ist zwar allseits bekannt, dass die Anime-Branche ziemlich hart ist, aber ich hatte es mir nicht so schlimm vorgestellt. Doch tatsächlich war es damals sogar so hart, dass ich mit dem Gedanken gespielt habe, mir einen anderen Job zu suchen. Zu dieser Zeit wurde aber gerade von Disney der Streifen „Die Schöne und das Biest“ veröffentlicht. Dass man mit einem Animationsfilm so ein wunderbares Werk schaffen kann, hat mich dann dazu bewogen, in der Anime-Branche zu bleiben und schon damals habe ich den Entschluss gefasst, meine eigene Interpretation der Geschichte zu realisieren, was mir nun – 30 Jahre später – in Form von „BELLE“ gelungen ist.
AN: Für „BELLE“ haben Sie – vor allem in Sachen Design – mit einem sehr internationalen Team gearbeitet. Teil davon waren beispielsweise der südkoreanische Charakterdesigner Jin Kim, der in London ansässige Architekt Eric Wong oder auch das irische Animationsstudio Cartoon Saloon. Was war für Sie ausschlaggebend, gerade mit diesem Team an „BELLE“ zu arbeiten und wie hat die internationale Zusammenarbeit funktioniert?
Hosoda: Wir haben hauptsächlich per Remote-Kommunikation zusammengearbeitet. Der Grund dafür, dass das Team hinter dem Film so international geworden ist, liegt darin, dass ich die Welt U eben auch sehr global gestalten wollte. Daher war ich der Meinung, dass global agierende Künstler dabei helfen könnten. Die Pandemie-Situation war dabei vielleicht sogar auch ein Faktor, denn das hat es im Prinzip erleichtert, mit diesen Personen remote in Kontakt zu treten.
AN: Sie haben es ja selbst bereits angedeutet: „BELLE“ ist eine Neuinterpretation der Thematik von „Die Schöne und das Biest“. Was war Ihnen bei ihrer Version dieser bereits durch viele Verfilmungen bekannten Geschichte besonders wichtig?
Hosoda: Ich war beim Disney-Animationsfilm zu „Die Schöne und das Biest“ besonders von der Dualität des Biests angetan, dessen Äußeres und Inneres sich so sehr unterschieden. Als ich mir jedoch Gedanken gemacht habe, was genau die Schöne eigentlich auszeichnet, ist mir dazu nicht viel eingefallen, außer, dass sie eben eine optische Schönheit war. Das hat natürlich auch mit dem Ursprung der Geschichte im 18. Jahrhundert zu tun, als Frauen unterdrückt wurden und wenige Freiheiten hatten. Daher war es mir in meiner moderneren Version der Geschichte wichtig, den Charakter der Schönen weiter auszuarbeiten. Ich habe mich also gefragt: Was wäre die Dualität meiner Protagonistin, die die Schöne darstellen soll? Daraus ist dann die Doppelrolle von Suzu entstanden, die im realen Leben eher unauffällig ist, aber online viele Fähigkeiten hervorbringen kann. Doch nicht nur die Fähigkeiten selbst, sondern auch Suzus Überwindung sollten Teil der Schönheit in dieser modernen Interpretation werden.
AN: In „BELLE“ existiert eine digitale Welt namens U. Doch „BELLE“ ist nicht Ihr erster Film, der eine Cyber-Welt thematisiert, wenn man sich an „Digimon – Der Film“ (Digimon Adventure: Bokura no War Game!) oder auch „Summer Wars“ zurückerinnert. Was unterscheidet die digitale Welt in „BELLE“ von denen Ihrer vorherigen Werke?
Hosoda: Über die Zeit hat sich auf alle Fälle ein Wandel meines Verständnisses des Internets vollzogen. Als ich damals Digimon produziert habe, war das Internet noch ziemlich neu und ich habe primär das Positive darin gesehen. Man dachte, dass die jungen Menschen nun mit dem Internet die Zukunft zum Positiven verändern werden. Zwanzig Jahre später hat man aber auch festgestellt, dass das Internet, und vor allem die sozialen Netzwerke, eben auch Nährboden für viele negative Gedanken bieten. Nichtsdestotrotz wollte ich auch weiter auf das Positive eingehen und vermitteln, dass das Internet eben auch dafür da sein kann, versteckte Potenziale zu fördern. Das habe ich dann in der Form meines neuesten Films „BELLE“ umgesetzt.
AN: In „BELLE“ haben Sie die reale und die digitale Welt auch durch die verwendeten Animationstechniken abgegrenzt, da die Welt U komplett durch CG entstanden ist. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Hosoda: Ich wollte im Grunde einfach die Charakteristika der beiden Welten durch die unterschiedliche Art der Darstellung verstärken. Daher ist die reale Welt handgezeichnet und die digitale Welt entsprechend digital entstanden.
AN: Sie wollten also einen Kontrast schaffen?
Hosoda: Das stimmt, aber ich stelle keine der beiden Techniken über die jeweils andere. Ich finde, dass sich handgezeichnete Animationen und computergestützte Animationen eben einfach so voneinander unterscheiden, wie es beispielsweise Öl- und Aquarellmalerei tun. Es sind einfach unterschiedliche Werkzeuge und wenn man weiß, wie man sie einzusetzen hat, dann eröffnet einem das einfach mehr Möglichkeiten.
AN: Trotz der aktuellen pandemischen Einschränkungen war „BELLE“ in Japan ein großer Kinoerfolg, doch auch international kam Ihr Film bereits sehr gut an, wenn man hier beispielsweise an den minutenlangen Applaus bei der Weltpremiere in Cannes denkt. Wie hat sich das für Sie angefühlt?
Hosoda: In der Tat war es eine große Herausforderung den Film in der aktuellen pandemischen Zeit fertigzustellen und es ist extrem knapp geworden. Wir haben noch bis zehn Tage, bevor der Film in Cannes Weltpremiere gefeiert hat, an der Fertigstellung dieses Werks gearbeitet. Und nur einen Tag nach der Premiere wurde der Film dann auch in Japan veröffentlicht, was dann leider zeitgleich mit den neuen Corona-Regeln geschah, die besagten, dass die Kinosäle nur noch zu 50% ausgelastet sein dürfen. Nichtsdestotrotz war der Film ein Erfolg. In Japan konnten wir bereits fünf Millionen Zuschauer verbuchen und in Cannes sind wir mit „BELLE“ tatsächlich auf Platz 8 der längsten Standing Ovations nach einer Filmpremiere gelandet. Das sind schon sehr gute Ergebnisse.
AN: Auch wenn Ihr aktuellstes Filmprojekt „BELLE“ natürlich noch sehr frisch ist, interessiert uns natürlich, ob Sie bereits Ideen für zukünftige Filme haben oder vielleicht im Hintergrund sogar bereits an einem konkreten neuen Projekt arbeiten?
Hosoda: Ich habe auf alle Fälle schon neue Ideen. Aktuell konzentriere ich mich aber auf die Promotion von „BELLE“, dementsprechend ist mein Fokus ein wenig zweigeteilt. Ich kann zwar noch nichts Genaueres sagen, aber auf jeden Fall habe ich schon etwas für die Zukunft im Kopf.
AN: Noch einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben!
BELLE für kurze Zeit in den Kinos erleben!
Hierzulande habt ihr die Möglichkeit, Mamoru Hosodas Film „BELLE“ ab dem 09. Juni 2022 sowohl in seiner OmU-Version mit japanischem Originalton und deutschen Untertiteln, als auch in der deutschen Synchronfassung, in der auch die Songs in die deutsche Sprache überführt wurden, für kurze Zeit in den Kinos zu sehen. Dabei sind momentan Vorstellungen in mehr als 300 Kinos in Deutschland, Österreich und den deutschsprachigen Regionen der Schweiz vorgesehen. Der Ticketvorverkauf ist bereits gestartet und teilnehmende Kinos findet ihr HIER.
Übrigens bekommt ihr in der deutschen Synchronfassung von “BELLE” die folgenden Stimmen zu hören:
Sprecher:in | Rolle |
Lea Kalbhenn (u.a. Megumin in KonoSuba) | Hiro |
Peter Lontzek (u.a. Kars in JoJo’s Bizarre Adventure) | Justin |
Nico Sablik (u.a. Giyu Tomioka in Demon Slayer) | Shinobu |
Tim Schwarzmaier (u.a. Senkuu Ishigami in Dr. Stone) | Kamishin |
Laura Oettel (u.a. Karen Araragi in Bakemonogatari) | Luka |
Patrick Baehr (u.a. Gen Asagiri in Dr. Stone) | Das Biest |
Lara Trautmann (u.a. Maki Gamou in Don’t Toy With Me, Miss Nagatoro) | Belle/Suzu |
Deutscher Trailer zu “BELLE”:
Handlung:
Das Leben der 17-jährigen Suzu, die mit ihrem Vater in einem kleinen Dorf lebt, verändert sich schlagartig, als sie sich auf der Plattform “U” anmeldet – einer virtuellen Welt mit fünf Milliarden Nutzern. Der Avatar der schüchternen Suzu ist die schöne und anmutige Belle. In der schützenden Anonymität der Online-Welt überwindet die junge Schülerin ihre Selbstzweifel und steigt über Nacht zum weltberühmten Star auf. Die ganze Welt möchte wissen: Wer ist Belle? Der Erfolg wird jedoch schon bald überschattet: Ein Konzertauftritt von Belle wird von der Ankunft eines mysteriösen Wesens unterbrochen. Das “Biest” treibt in den virtuellen Weiten von “U” sein Unwesen und will die friedliche Atmosphäre zerstören. Fasziniert von dem bedrohlich aussehenden Unruhestifter macht sich Belle daran, das Rätsel um ihn aufzudecken.
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