Taku Kishimoto (Foto: ©2019 Steffen S./AnimeNachrichten.de)

Wir freuen uns immer wieder ganz besonders, wenn wir einen der kreativen Köpfe aus der Anime- und Manga-Branche für ein Interview treffen dürfen. Das gilt natürlich auch für Drehbuchautor Taku Kishimoto, der die Connichi 2019 im Kasseler Kongress Palais mit seinem ersten Deutschlandbesuch beehrte. In diesem Rahmen war es uns möglich, dem freundlichen Japaner einige Fragen zu seinem Werdegang sowie zu seiner Arbeit als Scriptwriter zu stellen. Zu seinen Werken zählen unter anderem Serien wie „Usagi Drop“, „Haikyu!!“, „Erased – Die Stadt, in der es mich nicht gibt“ oder auch die aktuell laufende Neuauflage von „Fruits Basket“.

An dieser Stelle möchten wir uns noch einmal ganz besonders beim Team der Connichi bedanken, das dieses Interview organisiert hat. Gleichzeitig gilt unser Dank natürlich Taku Kishimoto selbst, der sich die Zeit für unsere Fragen genommen hat und diese wirklich detailliert, ehrlich und oft auch mit ein wenig Humor beantwortet hat! 🙂

Anmerkung: Nachfolgend werden wir der Einfachheit halber AnimeNachrichten mit AN abkürzen, während Taku Kishimoto einfach mit Kishimoto betitelt wird. Alle Fragen und Antworten wurden von einer Übersetzerin vor Ort ins Japanische bzw. Deutsche übersetzt. Wir haben die Antworten hinsichtlich des Wortlauts ggf. leicht abgewandelt, ohne jedoch inhaltlich Änderungen vorzunehmen.

Und nun wünschen wir euch viel Spaß beim Lesen!

AN: Herzlich willkommen in Deutschland und hier auf der Connichi. Wie gefällt es Ihnen denn bisher auf der Veranstaltung?

Kishimoto: Es ist das erste Mal, dass ich für eine Anime-Convention ins Ausland fahre. Am Anfang war ich daher auch total aufgeregt, doch jetzt wo ich hier bin, habe ich gesehen, wie viele Menschen hier Anime lieben und auch Cosplay und das macht mich sehr sehr glücklich.

AN: Gibt es etwas, auf das Sie sich bereits vor Ihrem Besuch hier in Deutschland besonders gefreut haben?

Das Haikyu!!-Team konnte Taku Kishimoto zwar nicht begleiten, aber nun hat er es endlich im Rahmen der Connichi 2019 geschafft, Deutschland zu besuchen. ©H.Furudate / Shueisha, „Haikyu!!“ Project, MBS

Kishimoto: Ich war ja auch an der Produktion der Serie „Haikyu!!“ beteiligt. Als die Arbeit an dem Anime beendet war, durfte das Produktionsteam als Belohnung eine Reise nach Deutschland antreten. Da die Arbeiten am Drehbuch aber immer schon etwas früher zu Ende gehen, als die gesamte Produktion, fängt man als Drehbuchautor normalerweise schon wieder mit einem neuen Projekt an, bevor die Produktion des vorherigen komplett abgeschlossen ist. Als das „Haikyu!!“-Team dann nach Deutschland gereist ist, hatte ich also schon wieder ein neues Projekt und konnte daher nicht mitreisen.

Als die anderen Teammitglieder dann aber von ihrer Reise nach Japan zurückgehrt sind, haben alle so sehr von Deutschland geschwärmt, dass ich ganz neidisch geworden bin. Sie waren während ihres Aufenthalts auf dem Oktoberfest und haben das Bier und die Würstchen dort total genossen. Das hat mich dann so neidisch gemacht, dass ich auch unbedingt nach Deutschland kommen wollte.

AN: Ein guter Grund! 🙂

Kishimoto: Meine ursprüngliche Motivation war also im Grunde hauptsächlich das Essen. Jetzt wo ich aber hier vor Ort bin und sehe, wie viele Menschen die Anime, an denen ich mitgearbeitet habe, lieben – z.B. habe ich viele Cosplayer von „Fruits Basket“ oder „Haikyu!!“ gesehen – macht mich das unglaublich glücklich. Als Drehbuchautor ist man ja eigentlich eher hinter den Kulissen tätig. Dass jetzt in Deutschland Fans kommen und sich bei meinen Signierstunden anstellen, um meine Unterschrift zu bekommen – und auch noch so viele – das hat mich wirklich überrascht und ich kann gar nicht in Worte fassen, wie glücklich mich das macht.

AN: Können Sie uns kurz erzählen, wie es überhaupt dazu kam, dass Sie Drehbuchautor geworden sind?

Kishimoto: Ursprünglich war ich bei Studio Ghibli angestellt, aber nicht als Drehbuchautor, sondern als Teil des Produktionsteams. Zu der Zeit als das Studio den Film „Arrietty – Die wundersame Welt der Borger“ produziert hat, hat Hayao Miyazaki nach einem Drehbuchautor für das Projekt gesucht. Ich habe dann von mir aus gesagt, dass ich es gerne versuchen würde und wurde auch tatsächlich genommen. Ich habe dann insgesamt drei Monate lang versucht mich mit Hayao Miyazaki auf ein Drehbuch zu einigen und habe dabei immer wieder neue Vorschläge gemacht. Wir sind aber einfach nicht auf den gleichen Nenner gekommen. Letztendlich musste ich das Drehbuch zu „Arrietty“ dann an jemand anderen abgeben. Mir hat aber die Arbeit am Drehbuch und der Austausch mit dem Produktionsteam so viel Spaß gemacht, dass ich zu diesem Zeitpunkt beschlossen habe, zukünftig Drehbücher zu schreiben.

Auch wenn es mit „Arrietty“ im Studio Ghibli nicht geklappt hat, hat sich Taku Kishimoto in Sachen Drehbücher nicht unterkriegen lassen!
©2010 GNDHDDTW

AN: Sie sind dann also sozusagen aus der Produktion in diesen Bereich hineingerutscht?

Kishimoto: Ich habe ja wie gesagt drei Monate lang versucht mich mit Hayao Miyazaki zu einigen, doch er hatte bei jedem Vorschlag etwas auszusetzen und nach drei Monaten gemeint, dass ich einfach kein Talent dafür habe und sie das Drehbuch nun jemand anderem geben müssten. An dem Punkt stand dann natürlich fest, dass ich zumindest bei Studio Ghibli nicht mehr als Drehbuchautor in Frage komme. Deshalb habe ich meine Anstellung dort gekündigt und habe mich selbstständig gemacht.

AN: Eine sehr mutige Entscheidung!

Kishimoto: Das stimmt, aber meine Frau hat zum Glück auch gearbeitet. Das heißt, ich hatte die Sicherheit, dass auch wenn ich zunächst einmal keine Aufträge bekommen sollte, trotzdem Essen auf dem Tisch steht.

AN: Viele Leserinnen und Leser können sich vielleicht gar nicht so gut vorstellen, wie die Arbeit eines Drehbuchautors genau ausschaut. Beschreiben Sie uns doch einmal, wie für Sie ein normaler Arbeitstag abläuft, wenn Sie gerade an einem Drehbuch arbeiten.

Kishimoto: Zu Hause kann ich mich sehr schlecht konzentrieren, deshalb arbeite ich immer auswärts. Meistens gehe ich gegen 9:00 Uhr los und setze mich dann in ein Café, häufig Starbucks. Dort sitze ich dann etwa drei Stunden und schreibe an meinem Computer an dem Drehbuch. Nach den drei Stunden mache ich mich dann aber auf den Weg, denn wenn man zu lange sitzen bleibt, dann schauen einen die Kellner irgendwann böse an. Ich wechsle dann einfach in ein anderes Restaurant oder Café, z.B. McDonalds. Dort sitze ich dann wieder zwei bis drei Stunden und arbeite an dem Drehbuch und wenn mir dann irgendwann wieder schiefe Blicke zugeworfen werden, dann gehe ich. Im Grunde wechsle ich so zwischen den verschiedenen Cafés hin und her, bis es dann Abend wird.

An manchen Tagen habe ich abends dann auch noch Besprechungen mit dem Produktionsteam. Die Treffen starten meistens gegen 18:00 Uhr und dauern dann etwa drei Stunden. Hinterher gehen wir dann meistens noch zusammen etwas trinken. Dafür gibt es auch einen Grund, denn etwa einen Tag vor der Besprechung bekommen der Regisseur und der Produzent meine Vorlage des Drehbuchs und haben dann einen Tag Zeit diese durchzulesen und Anmerkungen hineinzuschreiben. Diese Anmerkungen sind aber immer nur Kritik, es gibt dabei nie Lob. Das bedeutet, bei diesen dreistündigen Besprechungen werde ich die ganze Zeit nur kritisiert. Das ist natürlich ganz schön anstrengend. Damit man sich dann hinterher trotzdem noch mit dem Produktionsteam versteht, gehen wir, um uns wieder zu versöhnen, zusammen trinken.

AN: Oft kommt es ja vor, dass sich mehrere Drehbuchautoren die Arbeit an einer Animeserie teilen und dann jeder Autor bestimmte Episoden übernimmt. Was sind die Gründe für diese Arbeitsaufteilung und wie schaffen Sie es dabei sicherzustellen, dass die Übergänge zwischen den Episoden recht flüssig sind, obwohl verschiedene Autoren dafür verantwortlich sind?

Kishimoto: Dass mehrere Drehbuchautoren an einem Projekt beteiligt sind, liegt hauptsächlich daran, dass man die Deadline einhalten muss. Wenn es nur einen Drehbuchautor gibt und der manövriert sich in eine Sackgasse, dann steht die ganze Produktion still. Wenn es aber mehrere Drehbuchautoren gibt, dann kann man auch einmal an einer Episode weiterarbeiten, für die jemand anders verantwortlich ist. Das macht es einfacher, die Deadlines einzuhalten. Man muss aber schon sagen, dass die Regisseure und Produzenten eigentlich lieber hätten, dass es nur einen einzigen Drehbuchautor für die gesamte Serie gibt, aber das ist halt einfach nicht immer möglich.

Wenn es eine Manga-Vorlage oder generell eine Vorlage gibt, dann ist es auch eigentlich nicht so schwer die Übergänge zwischen den Episoden flüssig zu gestalten. Es gibt in Japan die Rolle eines Koordinators, der dafür verantwortlich ist, dass am Ende alles zusammenpasst. Das habe ich auch schon gemacht. Im Falle einer Vorlage, beispielsweise eines Mangas, kann man einfach schauen, wie viele Kapitel des Mangas man in eine Episode packt. Der Drehbuchautor muss sich dann natürlich daran halten, so dass in dem Falle die Handlung eigentlich automatisch stringent ist. Wenn es sich hingegen um ein Originalwerk ohne Vorlage handelt, dann ist das Ganze ein bisschen komplizierter. Wenn ich dann die Koordinationsfunktion übernehme, dann schreibe ich sehr sehr detaillierte Anweisungen für jede Episode, die ich dann an die jeweiligen Drehbuchautoren weitergebe. Ich achte dann schon direkt darauf, dass diese Anweisungen so viele Informationen enthalten, dass am Ende alles stringent erscheint.

AN: Gibt es noch weitere Aufgabenbereiche, die man nur dann innehat, wenn man die von Ihnen angesprochene Koordinationsfunktion übernimmt?

Kishimoto: Ich finde, es sind grundsätzlich sehr verschiedene Arbeiten. Bei Animes ist es ja so, dass eine Staffel meistens zwölf Folgen umfasst. Der Koordinator überlegt sich, welche Rolle welche Episode innerhalb der gesamten Handlung spielen soll und was dort abgebildet werden muss und gibt das dann an den Drehbuchautor weiter. Der Drehbuchautor kümmert sich dann um die Details der Folge und um die Umsetzung. Es passiert aber auch manchmal, dass der Koordinator besonders wichtige Episoden selbst schreibt. Das sind meistens die erste oder die letzte Folge oder auch Episoden, in denen innerhalb der Serie ein großer Wendepunkt stattfindet. In der Regel ist es aber schon so, dass der Koordinator und der Drehbuchautor ganz unterschiedliche Sachen machen.

AN: Kommen wir auf einige Ihrer Anime-Projekte zu sprechen. Sie haben beispielsweise das Drehbuch zum Anime „Erased – Die Stadt, in der es mich nicht gibt“ beigesteuert. In dieser Serie gibt es gleich mehrmals Zeitsprünge in der Handlung. War das eine besondere Herausforderung?

Kishimoto: Grundsätzlich muss ich sagen: Es war schwer. In der Original-Vorlage ist es so, dass es keine Regel bzw. keine Gesetzmäßigkeit dafür gibt, wann genau ein Zeitsprung eintritt. Das stört dort auch nicht wirklich, aber wenn man die Geschichte in einen Anime umsetzt, dann muss natürlich einiges gestrichen werden – der Inhalt wird also kürzer, da sonst nicht alles in zwölf Folgen passt. In dem Fall wäre es dann bei Zeitsprüngen ohne Regeln so, dass das dem Zuschauer auffallen würde und er sich fragt, nach welcher Gesetzmäßigkeit diese Zeitsprünge auftreten. Daher musste ich mir selbst überlegen, was für eine Regel hinter diesen Zeitsprüngen steckt. Das habe ich dann versucht so umzusetzen.

AN: In den Animes „Erased“ und „Usagi Drop“ kamen oft Kinder vor, die sich ja anders verhalten und ausdrücken als Erwachsene. Wie schaffen Sie es, sich in diese Situationen hineinzuversetzen, um das Drehbuch auch in diesen Fällen gut zu gestalten?

Kishimoto: Im Fall von „Erased“ war es so, dass ich mich einfach strikt an die Original-Vorlage gehalten habe, weil dort die kindlichen Charaktere sehr gut dargestellt waren. Als ich das Drehbuch für „Usagi Drop“ geschrieben habe, wobei es sich ja um mein erstes Drehbuch für einen Anime gehandelt hat, war ich vorher zwei Jahre arbeitslos. Ich hatte aufgehört bei Studio Ghibli zu arbeiten und es hat dann einfach zwei Jahre gedauert, bis ich meinen ersten Auftrag bekommen habe. In der Zeit habe ich mich daheim um meine Kinder gekümmert und der Hauptcharakter in „Usagi Drop“ ist ja die kleine Rin, die sich im Vorschulalter befindet. Zu der Zeit hatte ich ein gleichaltriges Kind. Wenn ich dann mit meinem Kind Zeit verbracht habe, habe ich mir immer aufgeschrieben, wenn sie etwas Lustiges gesagt hat, weil es mir einfach Freude bereitet hat. Zum Beispiel habe ich sie nachts einmal huckepack getragen und sie hat dann gesagt „Papa, der Mond verfolgt uns!“ oder als am Himmel ein Flugzeug entlang geflogen ist habe ich darauf gezeigt und gefragt „Wohin denkst du fliegt das Flugzeug?“ und mein Kind hat geantwortet „Zu einem Hotel!“. So lustige Bemerkungen habe ich mir immer aufgeschrieben, damit ich sie mir später noch einmal anschauen kann und genau diese Bemerkungen habe ich dann auch versucht in „Usagi Drop“ einzubauen, damit es interessanter und realistischer wird.

Um die kleine Rin in „Usagi Drop“ möglichst lebendig zu gestalten, hat sich Taku Kishimoto auch an Bemerkungen seines eigenen Nachwuchses orientiert. © 2011 Yumi Unita/ Shodensha/Usagi Drop Committee

AN: Sie sind auch an der aktuellen Anime-Adaption von „Fruits Basket“ beteiligt. Wie unterscheidet sich das Projekt von Ihren weiteren Arbeiten dadurch, dass es sich um eine Neuauflage handelt?

Kishimoto: Ich habe mir Mühe gegeben, bei „Fruits Basket“ genauso vorzugehen, wie bei Animes, bei denen es bisher noch keine Umsetzung gab. Ich weiß, dass die erste Umsetzung der Geschichte als Anime unglaublich gelungen ist und dass sie unzählig viele Fans hat. Ich hatte die Serie aber nicht gesehen, als sie damals im Fernsehen lief und habe auch nachdem der Auftrag kam dann absichtlich nicht mehr hineingeschaut. Ich dachte: Wenn mir der Anime gefällt werde ich womöglich versuchen ihn zu imitieren. Dann ist es mir nicht möglich, meinen eigenen Beitrag in das Drehbuch mit einzubringen. Der Regisseur der Neuauflage hat das Original allerdings gesehen und mit ihm gemeinsam haben wir es dann geschafft, die Dinge, die beim Original gelungen waren, auch in meinem Drehbuch mit einzuarbeiten.

AN: Gibt es abschließend vielleicht noch etwas, das Sie den deutschen Anime-Fans mit auf den Weg geben möchten?

Kishimoto: Ich werde jetzt ein wenig Eigenwerbung machen, und zwar kommt dieses Jahr im Oktober*, also schon sehr bald, meine neue Serie „Kabukichō Sherlock“ heraus, ein Anime ohne Manga-Vorlage. Ich weiß zwar nicht, wann die deutschen Fans die Serie letztendlich zu Gesicht bekommen, aber ich hoffe, dass sich alle darauf freuen!

Im Oktober 2019 startete Taku Kishimotos neuestes Projekt „Kabukichō Sherlock“.
©歌舞伎町シャーロック製作委員会

AN: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben!

*Das Interview ist im September 2019 entstanden!

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Steffen
Ich bin Steffen, seit 2016 Teil des AnimeNachrichten-Teams und nur wenig kürzer auch als Chefredakteur tätig. Aus diesem Grund habe ich meine Finger eigentlich in allen Themengebieten im Spiel, kümmere mich jedoch inbesondere um Anime, Manga, Light Novels, Interviews sowie um die Kommunikation mit unseren Partnern aus der Branche.
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