Nach Sonys gestern angekündigtem Schritt, die Anime-Streaming-Dienste Crunchyroll, FUNIMATION (inkl. WAKANIM) sowie ANIMAX Plus Deutschland unter der Dachmarke Crunchyroll zusammenzuschließen, hagelte es online Reaktionen – viele positive, aber auch sehr viele eher negative. Letztere beruhen vor allem auf der Angst vor dem, was die Vormachtstellung eines einzigen Konzerns, die nahe an ein Monopol heranrückt, zukünftig bedeuten könnte. Unser Redakteur Steffen setzt sich in einem Kommentar mit der neuen Situation auseinander.
Die im folgenden Kommentar enthaltenen Meinungen sind einzig und allein die Auffassungen des Verfassers und entsprechen nicht der Meinung von AnimeNachrichten.de.
Als gestern der Zusammenschluss der Streaming-Dienste Crunchyroll, WAKANIM und ANIMAX Plus Deutschland verkündet wurde, scheint das viele überrascht zu haben. Das gilt im Prinzip auch für mich. Dabei war es aber nicht der Schritt ansich, der mich hat aufhorchen lassen, denn dieser war im Prinzip seit der Übernahme von Crunchyroll durch Sony nur eine Frage der Zeit und zuvor ja sogar schon einmal angekündigt worden. Vielmehr war es die Geschwindigkeit, mit der man dieses Projekt vorangetrieben hat, denn zu so einem frühen Zeitpunkt hätte ich noch nicht damit gerechnet.
Für Sony ist das aber mehr als sinnvoll. Ein Hauptgrund besteht darin, dass es auf Dauer wirtschaftlich keinerlei Sinn macht, mehrere Streaming-Dienste mit gleichem Themenschwerpunkt innerhalb einer einzigen Konzernstruktur zu betreiben. Dadurch ergeben sich redundante Ressourcen, sowohl hinsichtlich der IT-Infrastruktur, als auch hinsichtlich der beteiligten Teams. Das gilt es für ein Unternehmen unbedingt zu vermeiden, schließlich möchte man die Kosten gering halten. Nachvollziehbar ist dieser Schritt aus Unternehmenssicht also allemal. Auch wenn WAKANIM erst einmal noch weiterläuft, ist der Einsatz an Ressourcen, die man nun in die Seite stecken muss, deutlich zurückgegangen. Marketing, Übersetzung und größtenteils auch Technik können sich zukünftig auf Crunchyroll konzentrieren und stellen bei WAKANIM keinen großen Kostenfaktor mehr dar. Über kurz oder lang sollte man aber auch davon ausgehen, dass die Server wohl ganz abgeschaltet werden.
Kommen wir zum Thema Monopol. Der große Aufschrei in den sozialen Netzwerken kommt hier grundsätzlich deutlich zu spät. Der Zusammenschluss der Dienste hat mit der potenziellen Vormachtstellung von Sony im Anime-Markt zunächst einmal nicht viel zu tun. Diese Situation wurde nämlich zum Zeitpunkt der Übernahme von Crunchyroll erreicht, wo es zwar auch Kritik gab, die aber seltsamerweise deutlich weniger stark ausgefallen ist, als es nun der Fall ist.
Aber was macht so vielen Fans nun solche Bauchschmerzen – soll heißen, was ist an einem Monopol eigentlich schlecht? Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass ein Monopol eine für ein Unternehmen erstrebenswerte Situation ist. Ohne größere Konkurrenz hat ein Unternehmen die Möglichkeit, den Marktpreis freier zu diktieren. Man muss hier anmerken, dass sich das Ganze trotzdem noch in einer bestimmten Spanne bewegt, da ab einem bestimmten Preisniveau eine weitere Teuerung keinen Sinn mehr ergibt, da man dann zu viele Käufer – oder im speziellen Fall eines Streaming-Dienstes „Nutzer“ – verliert. Dennoch ist es so, dass bei einem Monopol grundsätzlich weniger Kunden in den Genuss des Angebots kommen, als es in der Situation der vollständigen Konkurrenz der Fall ist, in der niedrigere Preise durch Wettbewerbsdruck zu höheren Nutzerzahlen in der Gesamtmenge der potenziellen Nutzer führen – nicht für das Einzelunternehmen, aber sehr wohl für den gesamten Markt.
Die Sorge vor zukünftigen Preiserhöhungen, die Crunchyroll nach eigenen Aussagen zumindest für den Moment erst einmal nicht plant, ist also gesamthaft durchaus berechtigt. Dennoch sollte man nicht glauben, dass die Preise hier ins Unermessliche steigen. Das kann sich ein Unternehmen schlichtweg einfach nicht erlauben, da man dann zu viele Nutzer verlieren würde. Am Ende wird sich der Preis vermutlich in einem Rahmen bewegen, bei dem ein ganz großer Teil der heutigen Nutzerschaft noch immer dazu bereit ist, ihn zu zahlen. Das könnte also beispielsweise bedeuten, dass man sich zunächst nach und nach einem Preis annähert, der der Kombination des WAKANIM Abos und dem kleinsten verfügbaren Cruchyroll Premium Plan entspricht. Das würde bei monatlicher Zahlweise einem Preis von ca. 12 Euro entsprechen, der ggf. bei einem Quartals- oder Jahresabo günstiger ausfallen könnte, wie es derzeit auch der Fall ist.
Was ein weiteres Problem darstellen könnte, ist, dass ein Monopol zu geringerer Innovationskraft führen könnte. In einer Konkurrenzsituation sind Unternehmen immer bestrebt, den eigenen Service und das Angebot zu verbessern, um Kunden auf ihre Seite zu ziehen. Ist man aber der einzige Akteur am Markt, dann reicht es oft aus, halbherzig den Status Quo zu erhalten. Im Falle eines Streaming-Dienstes kann das beispielsweise bedeuten, dass man sich keine gesonderte Mühe mehr gibt, bestehende Player oder Apps weiterzuentwickeln, die Performance zu verbessern, etc.
Ob diese Gefahr in erhöhtem Maße besteht, dürfte auch davon abhängig sein, wie sensitiv die Nutzer auf diese Punkte reagieren. Wenn ein großer Teil der Nutzer mit einer bestimmten Leistung wirklich unzufrieden ist, führt das unweigerlich zu einem Rückgang der Nutzerzahlen, auch für einen Monopolisten, zumindest wenn es sich um ein Luxusgut und nicht um ein Produkt des zwingenden täglichen Bedarfs handelt. Allzu sehr darf ein Streaming-Dienst seine Leistung hier also auch nicht schleifen lassen.
Hat die neue Situation denn auch Vorteile? Sicherlich. Das Angebot in einem Service zu vereinen stellt für viele Nutzer bestimmt einen klaren Zugewinn an Komfort dar. Man muss keine zwei bis drei Abos buchen, keine zwei bis drei unterschiedlichen Apps nutzen, nicht mehr groß darauf achten, welcher Anbieter welchen Titel im Programm hat, etc. Ob das am Ende für einen persönlich die zumindest möglichen Nachteile aufwiegt, das sollte jeder für sich selbst entscheiden.
Am Schluss darf man aber auch nicht vergessen, dass immer von einem Monopol die Rede ist. Ganz soweit ist es aber noch nicht. Grundsätzlich gibt es entsprechende Behörden, die so etwas zu verhindern versuchen und die vor Zusammenschlüssen prüfen, ob ein solcher eine zu starke Vormachtstellung auslösen würde. Im Fall von Sony und Crunchyroll ist man von Behördenseite offensichtlich davon überzeugt gewesen, dass das nicht der Fall ist. Ein Grund dafür könnte beispielsweise Netflix sein. Der Anbieter hat sein Angebot an Animes in der Vergangenheit stetig ausgebaut, vor allem im Hinblick auf Serien und Filme, an deren Produktion man selbst beteiligt war und ist, und stellt dadurch zumindest einen gewissen Gegenpol und eine Konkurrenz zu Sonys Crunchyroll dar. Und dann ist da als zweiter großer Player ja auch noch Disney, das sich anschickt, mit Serien wie „Black Rock Shooter: Dawn Fall“ oder „Summer Time Rendering“ erste Anime-Luft zu schnuppern. Und wer weiß, vielleicht erkennt man dadurch von Seiten des Unternehmens den Anime-Streaming-Markt ja als lohnenswert an und sorgt dadurch wieder für eine neue Art der Konkurrenz im Streaming-Bereich.
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